Wiener Ménage (UA)

Uraufführung der Oper von Carl Tertio Druml

Sänger:

Florian Conze, Harald Hieronymus Hein, Merle Bader, Ekaterina Aleksandrova

Musikalische Leitung/ Felix Mildenberger

Regie/ Nils Braun

Bühne/ Sangwha Park

Kostüme/ Pia Preuß

Dramaturgie/ Christin Hagemann

Regieassistenz/ Lara Yilmaz

Ensemble Modern

Premiere am 19.11.2019 am

LAB Frankfurt

Festakt der Akademie Musiktheater Heute

Text von Christin Hagemann über Wiener Menage

Ein Caféhaus – ein Kellner richtet alles her, deckt die Tische ein, wirbelt herum. Ein einsamer Straßenmusiker betritt die Szene, spielt zuerst eine gefällige Melodie auf der Klarinette, die alsbald ins Moderne hinübergleitet. Der erste Gast des Cafés, der „Spießer“, macht sein Missfallen über diese Entwicklung deutlich. Die solistisch geführte Klarinette löst sich in einen unheilschwangeren Ensembleklang. Der Spießer setzt sich und buhlt nun fordernd um die Aufmerk-samkeit des Kellners. Hier steht dem Spießer, einem Bariton, im Kellner eine Sprechrolle entgegen. Durch die Ruhe, die der Kellner in seinen Sprechteilen besitzt, wirkt der Spießer in seiner oft atemlosen Empörung kontrastierend.Weitere Personen betreten das Lokal und sofort ergeben sich bewusste und unbewusste Dreiecksbeziehungen zwischen den Menschen. Alsbald beginnt sich ein Karussell aus verschiedensten Ménages-à-trois in Gang zu setzen, in denen eben jener „Spießer“ den Dreh- und Angelpunkt bildet. Jede dieser Verbindungen ist anders, stets unberechenbar und zunehmend wer-den sie dem Protagonisten unangenehm, provozieren ihn sogar. Maßgeblich ist der Auftritt einer hübschen Frau, die den Protagonisten in Wallung versetzt, was sich durch einen behäbigen Jazz-Walzer ausdrückt – einer Form, die sich als Inbegriff der Zahl drei per se durch das gesamte Werk zieht.Die Dreieckssituationen verdichten sich und dehnen die Grenzen dessen, was für den „Spießer“ tolerierbar ist, empfindlich aus. Eine weitere Frau erscheint und in einer musikalischen Ménage-à-trois, einem motettenhaft anmutenden Terzett der beiden Frauenstimmen verwoben mit dem Englischhorn, wird die Toleranzgrenze des Protagonisten überschritten und entlädt sich in einem Ausbruch von Dissonanzen.

Erst zum Schluss gelingt dem Spießer ein fraglicher Befreiungsschlag aus den dicht verstrickten, sich überlagernden Ménages-à-trois, durch den er schließ-lich sein Gesicht verliert. Er bleibt alleine mit dem Kellner zurück und rückt über einem Stück Gugelhupf die Schranken seiner Weltanschauung zurecht.Zu Beginn des Stücks blickt der Zuschauer durch die Augen des Protagonisten auf die Ereignisse und Dreiecksverbindungen, die sich um ihn herum ergeben. Mehr und mehr allerdings tritt das Publikum aus seiner Sichtweise heraus, lässt den fremden Blickwinkel hinter sich und ein Hinterfragen der Hauptfigur, deren streitbare Verhaltensweisen und Handlungen sich stets innerhalb der und an den Dreierkontellationen entzünden, beginnt. Passt seine Weltsicht mit unseren moralischen Vorstellungen zusammen? Komponist und Librettist Carl Tertio Druml, Regisseur Nils Braun und Dramaturgin Christin Hagemann stellen sich in Wiener Ménage der Frage nach Dreiecksbeziehungen. Sie durchleuchten den Themenkomplex in Bezug auf die generelle strukturelle Vielfältigkeit einer Ménage-à-trois, ihre verschiede-nen immanenten Wirkmechanismen und ihre Auswirkungen auf die Menschen einer solchen Dreiecksverbindung.